Vom Vorlesen zum Text-Sprechen
- Ulrike Fricke
- vor 3 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 2 Tagen

Was bedeutet "berührender Klang" wirklich – jenseits der korrekten Ausführung?
Woran erkennst du, dass Stimme berührt, wenn es nicht nur um das richtige Wort oder die präzise Aussprache geht?
Die Antwort liegt in der Begegnung: Im Moment, in dem sich Sprecher:in und Zuhörer:in öffnen und etwas gemeinsam erleben. Der Klang wird dann von einer bloßen Schallwelle zu einer Brücke, die Kontakt ermöglicht.
Was ich seit Jahren beobachte:
Ein guter Ton, eine tolle Stimme, der faszinierende Stimmklang – das alles ist wunderbar! Es KANN allerdings noch getoppt werden: Es ist die Lust, an und mit der Stimme zu arbeiten, und die Bereitschaft, sich im Moment zu verlieren, mit aller Zuversicht. Das Loslassen ist dann kein Versäumnis, sondern spricht für den Mut zum Eintauchen in die Situation.
Kompetentes Sprechen braucht Flow. Wenn Atem, Atemführung, Artikulation, Lautstärke und emotionale Intention möglichst synchron arbeiten, wird der Klang lebendig – es geht nicht um Perfektion, aber um eine sichere Basis, auf die wir uns verlassen können.
Der Dialog beeinflusst den Klang. Sprech- oder Gesangskunst sind keine Monologe: sie leben von der eigenen Intention und vom Austausch, vom Feedback, vom gemeinsamen Erleben von Texten, Erinnerungen, Geschichten und Impulsen.
Freude ist der Treibstoff. Mit Lust auf Kontakt und Neugier die eigene Stimme zu gestalten, erzeugt eine Wärme, die nicht nur gehört, sondern gespürt wird.
Vorlesen oder Noten-singen sind komplexe Vorgänge im Gehirn, einfach gesagt: Zeichen werden erfasst, interpretiert und in Worte und Töne umgesetzt. Wenn man sich damit genauer befasst, ist es im Grunde ein Wunder, wenn das überhaupt funktioniert!!
Oft hört sich das so Vorgetragene dann aber laaangweilig an. Jede:r von Euch kennt lange Vorlesungen oder Vorträge, oder den Menschen, der es liebt, lange und ununterbrochen zu monologisieren – es ist nicht ansprechend!
Es fehlt eine ganze Dimension, nämlich die Intention: Deine Verbindung zum Inhalt, Deine Begeisterung, Deine Empfindung. Sich diese klarzumachen und dann in dieser Stimmung zu sprechen oder zu singen bedeutet, dass Dein Sprechen lebendig wird – es erwacht zum Leben, es weckt bei anderen Emotionen, Bilder, Erinnerung, Erfahrung. Es dockt an.
So wird aus einer drögen Vorlesung eine inspirierende Rede!
So wird aus korrekten Tönen ein ergreifendes Konzert!
Wie du das in deinem Alltag üben kannst:
Übe bewusstes Loslassen kurz vor dem Satzstart. Atme aus, bleibe im Moment und begleite jeden Satz mit der Intention, der eine Brücke bauen kann: "Hier habe ich einen ganz besonderen Text: …"
Experimentiere mit der Frage: "Wie würde diese Stelle klingen, wenn ich sie mit Freude vortrage?"
Nutze kurze Textpassagen, um Beziehung herzustellen: Was will ich bewirken? Welche Emotion soll transportiert werden?
Probiere regelmäßig kleine Impulse aus: Vorlese- oder Vortragsübungen, die dich herausfordern, deine Stimme mit deinem Gegenüber zu verknüpfen, z. B. mit besonderen Sprachnachrichten!
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