Mit der Stimme berühren
- Ulrike Fricke
- vor 3 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
Ein ausgesprochen charmantes und erkenntnisreiches Interview mit der Trompeterin und Sängerin Sinje Schnittker
Hast du dich schon einmal gefragt, wie lange wir eigentlich unsere Stimme bewusst oder unbewusst nutzen? Für Sinje Schnittker begann alles schon früh – eher unbewusst. Sie sang auf der Bühne, doch erst später wurde ihr klar: „Ich muss was tun, denn Erkältungen schlagen sich immer schneller auf meine Stimme nieder.“ Ein Besuch beim Phoniater bestätigte: alles in Ordnung, aber Gesangsunterricht mit Schwerpunkt auf Stimmschonung war notwendig.
Was hat dir geholfen, deine Stimme präventiv zu schützen?
"Ich habe Gesangsunterricht bei einem Opernsänger genommen, der sich auf Sänger:innen mit Stimmproblemen spezialisiert hat. Er hat mir Übungen gezeigt, um zu verstehen, was es bedeutet, ‘in die Maske’ zu singen, wie ich Klangräume, Gaumensegel und Stimmmuskeln gezielt nutze und wie ich meinen Gesang bewusst gestalten kann. Wir haben im Grunde ein kleines “privates Tonstudio” eingerichtet. Für mich war es wichtig, Sicherheit beim Reproduzieren der Töne zu gewinnen und meinem Körper zu vertrauen, denn Muskeln erinnern sich. Im Moment beim Auftritt passiert dann viel von selbst."
Mit der Stimme berühren: Und wie setzt du das beim Singen und bei Konzerten ein?
"Das ist ähnlich: Es geht darum, zu verstehen, was ich tue, aber auch eine Intuition zu entwickeln. Wie kann ich aus einem bestimmten Ton Gefühle bei anderen wecken? Ich versuche, im Moment zu sein, den Druck wegzunehmen und einfach zu genießen. Es geht nicht nur um perfekte Performance, sondern um echtes Empfinden. Wenn ich den Kopf ausschalte und mich auf meinen Körper einlasse, entsteht die emotionale Verbindung.“
Fokussierst du dich beim Auftritt eher auf das Publikum oder auf das Stück?
„Eigentlich bin ich mehr bei dem, was ich gerade im Moment fühle. Das Stück ist nie genau gleich – es lebt mit mir und den anderen in der Band. Zu Beginn eines Auftritts klappt vielleicht noch nicht alles perfekt, aber ich bin offen für das, was passiert. Ich setze auf Kontakt, lasse alles andere los, und das macht den Spaß und die Echtheit aus. Das Wichtigste ist: ‘Da sein und genießen!’"
Wie bereitest du dich vor, um dann entspannt auf die Bühne zu gehen?
"Ich bringe alles mit, was ich bei den Proben erlebt habe – Spaß, Herausforderungen, kleine Zwinkerer. Das macht den Unterschied zur Aufnahme aus. Und um die Balance zwischen intensiven Auftritten und entspannter Stimme zu halten, verlasse ich mich auf mein Körpergefühl: Spaziergänge, Yoga, Einsingen – alles ein ‘Gesamtkörper-Ding’. Besonders letzte Woche, als ich während der Konzerte gespürt habe, wann ich mich zurückhalten oder leichter gestalten kann, DAS war ein tolles Gefühl. Es zeigt, wie wichtig es ist, auf den eigenen Körper zu hören."
Was hast du durch dieses Körpergefühl noch entdeckt?
"Mein Körper ist ein großartiger Gesprächspartner. Je besser ich ihn verstehe, desto besser kann ich auf seine Signale reagieren. Das ist wertvoll – vor allem beim Singen und Sprechen."
Du schreibst ja auch Texte. Wie kam es dazu?
"Das Schreiben ist für mich eine Art, Stimmungen festzuhalten. Wenn mich etwas besonders berührt, schreibe ich es auf – ich kann es in Worten aufbewahren wie in einem Döschen, das ich jederzeit öffnen kann. Es ist ein wunderschöner Prozess, bei dem ich Gefühle einfangen und bewahren kann. In Zukunft möchte ich auch leichtere Song-Texte schreiben."
Und was passiert, wenn du deine Texte jemandem vorstellst?
"Das ist immer spannend. Ich gebe sie frei – ob beim Singen oder Sprechen. Die Reaktion liegt beim Publikum. Entweder berührt es, oder nicht. Wenn es nur eine Person erreicht, ist das schon viel wert."
Gibt es schon einen öffentlichen ‘Sinje-Schnittker-Gedichtband’?
"Noch nicht. Das Schreiben ist situativ, dann läuft es ganz automatisch, da muss und kann ich gar nichts steuern. Es geht um Absichtslosigkeit: erst mal alles rauslassen, Platz schaffen. Früher hatte ich viele äußere Zwänge, doch jetzt fließt es freier. Das Schreiben schafft Raum für Neues, ohne Bewertung, in einem sicheren, offenen Raum."
Was kannst du anderen mit auf den Weg geben?
"Hört auf euren Körper! Besonders beim Sprechen: Probiert es zuhause aus, nehmt euch Zeit, um herauszufinden, was euch wohlfühlen lässt. Alles darf da sein – Stress, Freude, Hemmungen. Es ist wichtig, sich selbst ernst zu nehmen."
Wann textest/ sprichst du am liebsten?
"Texten tue erstmal nur für mich persönlich, und beim Sprechen bin ich am liebsten im Zwiegespräch, im Miteinander so wie unser Gespräch heute!"
Neugierig geworden? Neben dem Video findest du hier auch noch einen passenden Blogbeitrag: Vom Vorlesen zum Text-Sprechen




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