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Fragen wagen! - Interview

Ulrike Fricke

Mit Dr. Clas Oliver Richter - Fernsehjournalist



Fragen wagen: Interview mit dem Fernsehjournalisten Clas Oliver Richter
Fragen wagen: Interview mit dem Fernsehjournalisten Clas Oliver Richter

Besonders an diesem Interview ist nicht nur, dass es mein erstes ist, sondern auch, dass ich es mit einem der wichtigsten Menschen in meinem Leben führe.



​Hier ist die Leseversion meines Interviews zum Thema "Fragen wagen".

Clas‘ Antworten fasse ich hier zusammen:


Sprechprofis müssen viele Fragen stellen. Einer dieser Profis ist Dr. Clas Oliver Richter. Er ist ARD-Fernsehjournalist und arbeitet für den NDR in Hamburg. Seine stärksten Einsätze hat er mit Menschen und deren Geschichten aus aller Welt, denn er war als Auslandskorrespondent in Nordeuropa unterwegs. Aktuell ist er für den Weltspiegel in Hamburg zuständig.


Clas, wann redest Du am liebsten?

Ich rede am liebsten dann, wenn ich eine Geschichte erzählen kann. Und wenn ich denke, dass das, was ich erzähle, wichtig ist, dass es witzig, interessant, möglicherweise lehrreich oder auch skurril ist. 

Ich erzähle dann am liebsten, wenn ich diejenigen, die es hören, damit erreiche. Und wenn ich ihnen eine Idee davon vermitteln kann, was ich interessant finde.

Am besten ist es, wenn ich selber eine Idee davon habe: ich möchte so erzählen, dass meine Idee rüberkommt und dass das etwas beim anderen entstehen lässt.


Du trittst also mit den Menschen in Kontakt! Fragen gehören ja zu Deinem Beruf, und sie sind Dein Werkzeug. Was möchtest Du denn mit den Fragen erreichen?

Die Fragen sollen Erkenntnisgewinn bringen, manchmal erwarte ich sogar einen bestimmten Erkenntnisgewinn. Wenn ich jemanden zu einem akuten Geschehnis wie Krise, Unwetter befrage, brauche ich mich im ersten Angang erstmal nicht per Tiefenrecherche vorzubereiten. Dann ist das Thema klar.

Fair, interessiert und angemessen – so frage ich nach Möglichkeit.

Wenn ich mit Expert*innen zu tun habe, oder mit politisch handelnden Personen, dann bereite ich mich vor. Ich möchte deren Perspektive verstehen, deren Mindset, deren Konstruktion von Realität. Das wird sich in meinen Fragen widerspiegeln, weil ich dann hinterfrage und mit den Fragen überprüfe, ob ich richtig verstehe.

Ich versuche also immer eine Vorstellung von den Menschen zu bekommen. Dann kann ich besser einschätzen, was ich von ihnen erwarten kann. Und ich möchte ihnen eine Chance geben, sich zu entfalten. 

In einem konfrontativen Interview muss der Gesprächspartner mir dann aber auch Rede und Antwort stehen.

Ich habe auf jeden Fall eine Verantwortung für die Menschen, die ich präsentiere.


Du machst Inhalte nachvollziehbar, und Du machst Situationen nachvollziehbar und stellst dadurch Verbindung zu Menschen her.

Die Verbindung mit den Menschen muss ich mir erarbeiten. Das mache ich über die Fragen, die Antworten und das Einsortieren drumherum, das ist auch meine Verantwortung.


Woher weißt Du denn, wann Du welche Frage stellst?

Was ich mal gemerkt habe, ist, dass es gut ist, einen Fragen-Katalog zu haben. 

Noch besser ist: Fragenkatalog UND Zuhören. Damit wichtige Aspekte nicht vergessen werden, ist es gut auf Gesagtes (das vielleicht nicht im Katalog steht) einzugehen. 

Ein Beispiel: Interview mit einem Ministerpräsidenten. Alle Journalist*innen wollten wissen, wie dessen Pläne bezogen auf die anstehende Wahl seien. Mir stellte sich aber auch die Frage nach aktuellen Problemen. Und ich habe mich gefragt: „Denke nur ich so? Als Wahlbürger würde ich das wissen wollen.“ Also habe ich gefragt. 

Es ist also gut, sich auf sich zu verlassen und spontane Gedanken und Fragen ernst zu nehmen.  


Gewisse Zweifel sind also normal? Also so etwas wie „Habe ich das jetzt richtig verstanden?“

Ja. Man fragt dann nach, oder behält diesen Aspekt im Hinterkopf für später.


Kommen wir zum Thema Gespräch. Wir verständigen uns, stellen Schnittmengen her. Fragen sind im Gespräch wie ein Motor, sie können die Richtung bestimmen. 

Ich werde oft gefragt, wie man das macht. „Wie fange ich an, oder wo knüpfe ich an?“ -  Hast Du einen Tipp für uns alle? 

Erst mal habe ich ein Ziel, was will ich wissen. Das mache ich mir klar. 

Dann überlege ich mir meistens nach der Recherche, welche Antwort kommen könnte. Und ich überlege, wie ich mit so einer Antwort wieder in Richtung Gesprächsziel steuern könnte.

Ich stelle mir ein Interview immer vor wie einen Trichter (er gestikuliert): ich fange an mit ner offenen Frage, und dann werde ich Stück für Stück detaillierter. Und dann komme ich zu einem Ergebnis.


Das heißt, dass Vorbereitung schon ganz gut ist.

Ja, auf jeden Fall vorbereiten. Da müssen die Fakten sitzen, die Argumente müssen da sein. Was ich aber auch gelernt habe: Nur, weil ich jetzt das beste Argument habe, habe ich noch lange nicht das Gespräch an das Ziel geführt, zu dem ich wollte. 

Ich argumentiere, und der andere sagt aber etwas ganz anderes, ich versuche wieder Fakten anzubringen (und eine gemeinsame Basis herzustellen). Dass aber irgendjemand in so einem Gespräch sagt: „Stimmt, Du hast recht. Ich habe mich vertan.“ – das passiert vielleicht bei Leuten, die sich nahestehen, sonst allerdings passiert das …. Selten. Also, selbst die besten Argumente führen nicht immer zum besten Ergebnis. Man sollte sich also auch überlegen, wie man damit umgeht. 


Deine Tipps sind also:


  1. Was interessiert mich? Was finde ich wichtig? Was ist mein Ziel?

  2. Dann überlegen: was könnte von der anderen Seite kommen? Was könnte interessieren?


Ja, und dennoch gibt es immer wieder Missverständnisse. Da gibt es bestimmt keine universelle Lösung. Denn

wenn man 1. NOCH deutlicher erklärt, kann das übergriffig und unangemessen wirken. Wenn man 2. rumschwurbelt, wird es noch fürchterlicher. 

Wie viel Klarheit mute ich also zu?


Da gibt es unterschiedliche Ebenen, oder? Einerseits versuchen wir, eine inhaltliche Schnittmenge herzustellen. Andererseits sollten wir auch immer wieder Antennen für die Atmosphäre haben. 

Genau!


Ausgesprochen gut. Danke für das Gespräch!

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